"Mehr als ein Dach über dem Kopf" - Wohnen und Leben italienischer Arbeitskräfte im Ruhrgebiet
„Im Wohnen spiegeln sich die sozialen Unterschiede wider“ und daher bleibt das Wohnen „Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse und „Ausdruck individueller Lebensgestaltung“. [1] Wohnen war schon immer mehr als nur ein „Dach über dem Kopf“. Zum Wohnen zählen zahlreiche weitere Aspekte und daher ist das Thema weit umfangreicher als man denkt. Wo wohnen die Menschen und seit wann? Was hat sie dazu bewegt, so zu wohnen? Wie sieht ihre Wohnsituation konkret aus, unter welchen Umständen leben sie? Und wie erleben die Menschen diese Art zu wohnen?
Leben in den Baracken
Eine Baracke bestand aus einer Küche und einem Schlaf- und Wohnbereich, 6 Personen haben hier auf 15qm gewohnt. Die Wohnfläche betrug pro Person also 2,5qm. Im Gegensatz dazu haben die Deutschen durchschnittlich mit 3 Personen auf 25qm gewohnt. Die Wohnfläche pro Person betrug hier also etwas über 8qm. Die Baracken, in denen die italienischen Arbeiter:innen lebte und wohnten, waren nicht nur deutlich kleiner, sondern auch in einem mangelhaften Zustand und unzureichend eingerichtet bzw. ausgestattet. Die Baracken bestanden aus Holz und waren nur sehr schlecht isoliert. Durch die direkte Nähe zu anderen Baracken war es dadurch sehr laut und man konnte die Geräusche benachbarter Baracken deutlich hören. Die Miete für die Baracken betrug monatlich 30DM pro Person. Die unterschiedlichen Arbeitszeiten der Arbeitskräfte resultierten in unterschiedlichen Tagesabläufen, welchen ein gutes Zusammenleben erschwerten. Die Bewohner mussten ihre verschiedenen Tätigkeiten (schlafen, kochen, Radio hören, ...) gleichzeitig ausüben, wodurch es in den Baracken laut und durcheinander war. Als Wasch- und Duschräume der Baracken fungierte ein externes Gemeinschaftsbad, welches ebenfalls oft in sehr schlechtem Zustand war. Die Tatsache, dass die Baracken in diesem soeben aufgeführtem Zustand waren, führte zur vielfachen Enttäuschung seitens der ausländischen Arbeitskräfte.
Leider sind kaum Quellen vorhanden, die zeigen, wie es in diesen Massenunterkünften in Wanne-Eickel ausgesehen hat, jedoch kann man andere Baracken in anderen Städten, in denen italienische Arbeiter:innen gewohnt haben, betrachten, um annährungsweise ein Bild zu bekommen, wie es in Wanne-Eickel in der Dorstener Straße und im Barbara-Heim aussah. - Die folgenden Fotos zeigen ein Wohnheim in Mannheim, in welchem auch italienische Gastarbeiter:innen gewohnt haben. Es waren einfache Baracken auf einem Zechengelände, ausgestattet mit Etagenbetten, wenig Möbeln und einer Küche, die dem Einzelnen ebenfalls wenig Privatsphäre boten.
Dies sind beides Fotos, die in den 60ern von der WAZ abgedruckt wurden, und in denen man zumindest einen kurzen Überblick über die Unterkünfte erhalten kann.
Berichte der Lagerbesichtigungen
Diese schlechten Zustände führten zu Arbeitsverweigerungen der Arbeitskräfte. Auch die weiteren ungenügenden Zustände, wie beispielsweise das schlechte Essen und die schlechte Ausstattung der Wohnräume führten zu extremen Unruhen. Es kam auch zu öffentlichen Aufständen bezüglich der Umstände und zur Verweigerung der Essenszunahme. In diesem Fällen griff die Polizei ein und verhaftete alle Beteiligten.
Beschwerliche Wohnungssuche
Nicht nur das Leben und Wohnen in den Baracken war für die italienischen Arbeiter:innen beschwerlich, das Wohnen außerhalb der Massenunterkünfte war ebenfalls mühsam, da die Wohnungssuche auf dem freien Wohnungsmarkt den Italiener:innen und auch weiteren Bürger:innen anderer Staatsbürgerschaften erschwert wurde. So wurden ausländische Bewerber:innen gegenüber deutschen auffallend benachteiligt, was dazu führte, dass die ausländischen Arbeitskräfte außerhalb der Baracken vor allem in minderwertigen Wohnungen leben mussten. Diese waren zwar vergleichsweise günstig, dafür jedoch oftmals sehr klein, alt, in einem mangelhaftem Zustand oder schlecht gelegen.
Viele deutsche Bürger:innen verließen Siedlungen, in denen viele ausländische Bürger:innen wohnten, da sie ihnen gegenüber Vorurteile hatten, welche zu Berührungsängsten führten. So zogen also die Gastarbeiter:innen mit ihrer Familie in billige Zechensiedlungen und ärmere Wohnviertel, die Deutschen wiederum wohnten in gehobenen Gegenden und/oder Neubau-Siedlungen. Dadurch entstanden Stadtvierteln mit einem hohen Ausländeranteil, welche zum Beispiel in Wanne-Eickel auch bis heute erkennbar sind. Diese Situation trug wesentlich zur Entstehung einer Parallelgesellschaft in den Städten bei.
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[1] Geschichte des Wohnens | Video | segu Geschichte. www.segu-geschichte.de/wohnen/: 19.02.2023
[2] Bericht über die Lagerbesichtigung vom 21.08.1941, Stadtarchiv Herne